Wesen aus Fantasie und Worten Der Storybeutel
Sie hielt den Hörer noch in der Hand obwohl er längst aufgelegt hatte. Ein Kilo Butter sollte sie mitbringen, Deutsche Markenbutter, das hatte der Mann betont, und zwei Stück Seife. Welche sei ihm gleichgültig, nur duften sollte sie nicht zu stark. "Ein Kilo Butter und zwei Stück Seife?" Die Kollegin von Marianne schaute skeptisch, als sie von dem Telephonat hörte.  "Und die Martinistraße ist auch nicht die erste Adresse."  "Aber was soll ich machen? Ich brauche eine Wohnung."  "Andererseits sind Butter und Seife auch nicht zuviel verlangt. Da gibt es ganz andere Forderungen."  "Eben."  "Wann sollst du kommen?"  "Um halb sechs."  "Ich wünsche dir jedenfalls viel Glück."   Mit dem Bus fuhr Marianne bis fast vor die Haustür.  "Nummer 114", hatte der Mann gesagt. "Gleich neben dem Waffengeschäft, falls Sie die Hausnummer nicht erkennen können. Sie ist etwas verwittert."  Aber nicht nur die Hausnummer war verwittert. Von der gesamten Fassade des drei stöckigen Gebäudes war die Farbe abgeblättert und an einigen Stellen bröckelte schon der Putz.   Eine Weile stand Marianne vor der dunkelbraunen Tür und studierte die verblaßten Namen auf den Schildchen, - sofern welche eingetragen waren.  Der Mann hatte seinen Namen nicht erwähnt und sie hatte vergessen danach zu fragen. Überhaupt hatte er kaum etwas über die Wohnung erzählt, nur das es eine Dachwohnung sei.  "Und wenn Sie meinen, Sie müßten die Bude unbedingt anschauen, gut, ich dränge keinen. Nur denken Sie bitte an die Butter und die Seife. Und seien Sie pünktlich! Es kommen ja noch andere Interessenten", hatte er ihr kurz und knapp erklärt.  Mariane drückte gegen die Tür. Sie war nicht verschlossen. Schwer aber fast lautlos ließ sie sich öffnen. Der strenge Geruch eines Treppenhauses, in dem sich die Düfte aus allen Küchen vereinten, empfing sie. Eine Zeitung rutschte aus dem Postkasten und fiel auf die grauen Fliesen.  "Sind Sie Frau Friedrichs?"  Erschrocken schaute Marianne hoch. Auf dem Treppenabsatz stand ein alter zitternder Mann, bekleidet mit einem zerschlissenen Morgenmantel und gestützt auf einem knorrigen Spazierstock.  Marianne nickte.  "Sie kommen wegen der Wohnung. Gut. Ich aber glaube kaum, das sie Ihnen zusagen wird. Das sage ich Ihnen gleich. Aber meinetwegen. Schauen Sie sich die Wohnung an. Es ist eine Dachwohnung über der dritten Etage. Sie haben die Butter mitgebracht, und die Seife?"   Marianne zog eine Tüte aus ihre Tasche.  "Sehr gut. Geben Sie mir."  Sie stieg zum ersten Treppenabsatz und reichte die Tüte dem Mann. Der Alte stank. Nach Schweiß, nach Bier, nach Urin. Marianne wich sofort zurück, als sie ihm die Tüte gereicht hatte. Umständlich legte er sie neben sich auf den Boden. Dann wühlte er in seiner Manteltasche. Der Alte hatte Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten. Seine Hausschuhe waren breitgetreten, so das die nackten grauen Füße halb neben den Schuhen standen."  "Wieviel schulde ich Ihnen?" fragte er.  "Sie wollen bezahlen?"  "Ja selbstverständlich. Oder was dachten Sie?"  "Ich..."  "Das kann ich noch. Keine Sorge. Wenn ich auch sonst nichts mehr kann. Bezahlen aber kann ich noch."  Der Mann reichte ihr einen zehn Mark Schein. Er hatte lange, verknorpelte Finger und dreckige Fingernägel, die gelblich waren, mit schwarzen Flecken. Sie gab ihm schnell das Wechselgeld.  "Gehen Sie nun. Gehen Sie rauf und schauen Sie sich die Wohnung an. Die Tür ist offen."   Der Alte blieb mitten auf dem Absatz stehen. Er rührte sich nicht, keinen Zentimeter. Marianne schob sich schnell mit angehaltenem Atem an ihm vorbei. "Sie leben allein?" rief er, als sie schon ein paar Stufen gestiegen war.  Sie nickte. Der Alte schaute noch immer hinunter zur Tür.  "Ja oder Nein?"  "Ja, ich lebe allein."  "Gut. Ist mir recht. Aber ich glaube kaum, daß Ihnen die Wohnung zusagt."  "Was soll sie kosten?"  "Kosten? Ach was. Gehen Sie erst rauf. Schauen Sie sich die Wohnung an. Alles weitere danach." Der alte Mann drehte ihr seinen Kopf etwas zu und schielte.  "Falls Sie ein danach wünschen. Aber nun gehen Sie schon!"   Das Treppenhaus war dunkel und schmutzig. Aus der rechten Wohnung in der zweiten Etage drang der Geruch verbrannter Milch. Orientalische Musik dudelte hinter der Tür. In der dritten Etage war es totenstill. Das Treppenhaus war hier zu Ende. Nur noch eine schmale Holzstiege führte ein Stück weiter hinauf auf einen dunklen Absatz. Rechts war eine grobe Holztür, die mit einem Vorhängeschloß gesichert war. Links befand sich eine weiß gestrichene Wohnungstür. Sie war nicht verschlossen.    Marianne betrat einen kleinen dunklen Flur. Die Tapeten hingen von den Wänden, von der Decke rieselte Putz und an einigen Stellen war das Stroh sichtbar. Eine Schabe huschte über den zerschlissenen roten Linoleumfußboden und verkroch sich hinter einer abstehenden Fußleiste. Direkt der Wohnungstür gegenüber befand sich die Toilette. Die Tür war geöffnet. In die hinterste Ecke des Raumes, der kaum breiter war als die Tür, stand das Klosettbecken. Nasses Zeitungspapier und Tapentenfetzen quollen aus der Schüssel. Die Klosettbürste lag neben dem Eingang.   Es roch nach Staub und Kalk. Vor Mariannes Füßen lag eine alte Boulevardzeitung. Neben einem am Strand kauernden nackten Mädchen prangte die Schlagzeile "Junge Frau zerstückelt. Eingefroren".   Vorsichtig ging Marianne durch die engen Räume. In fast allen Ecken hingen dicke Spinnweben, in denen sich grauer Staub und Mörtelbrocken verfangen hatten. In jedem Raum waren in der Dachschräge kleine Fenster eingebaut. Mit Mühe konnte sie eines der klemmenden Holzfenster öffnen.   Der Blick ging über graue Hinterhöfe, über kleine, verbaute Balkons, rötlichschwarze Dächer zu einem alten, still gelegten Fabrikgebäude. Überraschend ruhig war es ja hier oben, dachte sie. Vom Straßenlärm war kaum etwas zu hören. Aber bin ich Innenarchitektin?   Sie drückte das Fenster wieder zu. Als sie sich umdrehte, huschte an der gegenüberliegenden Wand ein Schatten vorüber und im gleichen Augenblick knallte eine Tür. Sie riß ihre Hand hoch, legte sie an ihren Mantelkragen. Mit angehaltenem Atem lauschte sie.   "Ist da jemand!" rief sie. Niemand antwortete.   Plötzlich baumelte eine fette Spinne vor ihren Augen. Entsetzt sprang sie zur Seite. Die Spinne hangelte sich an ihrem Faden hoch und verschwand in einem Loch der Dachschräge.  Marianne eilte zum Ausgang. Die Wohnungstür war zu gefallen. Ihr fehlte die Türklinke. "Hallo!" rief sie und klopfte gegen die Tür. Doch im ganzen Haus schien es kein Leben zu geben. Nur aus weiter Ferne erscholl ein Martinshorn. Da entdeckte Marianne auf dem Fußboden die Türklinke. Sie hob die Klinke auf, stopfte sie in das Loch und öffnete die Tür.  In der zweiten Etage war es jetzt auch still und der Geruch von verbrannter Milch hatte sich mit den anderen Gerüchen vermischt.   Der alte Mann war nicht mehr da. Marianne wollte ihn schon rufen, aber sie wußte ja nicht einmal seinen Namen. Und wozu auch? Sie lief die restlichen Stufen hinab, zog die schwere Haustür auf und stand auf dem Bürgersteig.   Der lebhafte Straßenverkehr tat ihr gut. Sie atmete kräftig durch, nahm den Zehner aus ihre Manteltasche, den ihr der Alte für die Butter und die Seife gegeben hatte, und steckte ihn in ihr Portemonnaie. Dann ging sie die Straße hinunter zur Bushaltestelle. Noch immer spürte sie den Geruch des Hausflures und des Alten in ihre Nase.  Als sie an der Haltestelle wartete, kam ein junges Paar vorbei. Er trug einen Waschmittelkarton, sie einen Packen Toilettenpapier.  "Hat er nicht gesagt warum wir das mitbringen sollen?" fragte der Junge.  Das Mädchen schüttelte den Kopf.  Marianne schaute den Beiden nach, wie sie bis zu Nummer 114 gingen, auf die Klingelknöpfe schauten und dann durch die dunkle Haustür verschwanden.     (c) Klaus Dieter Schley
Klaus Dieter Schley, 2015
Klaus Dieter Schley, 2015
Jede Story hat eine Story Die Arbeitenden Die meisten Leute werden mit dieser Geschichte wenig anfangen können, wenn sie auch als merkwürdig und lesbar, also durchaus mit einem Spannungsbogen versehen, daher kommt. Dennoch: was will sie uns sagen, mag sich so mancher fragen. Was will der Autor mit dieser Geschichte zum Ausdruck bringen? Nun, sagen wollte ich eigentlich nichts besonderes. Muss denn eine Geschichte immer eine deutliche Aussage beinhalten? Diese Geschichte ist mir etwa 1990/1991 „eingefallen“. Ich hatte ein „Bild“ vor mir, das aus Fantasie und eigenen Erfahrungen beruhte. Während meiner Ausbildung habe ich in einer Metallwerkstatt eine Zeit gearbeitet. Weniger Erfahrungen sondern mehr bildhafte Erinnerungen, sinnliche Eindrücke drängten sich mir auf, die ich aber in keiner realistischen Weise verarbeiten konnte. Wie viele meiner Geschichten war auch diese in ihrer Grundstruktur plötzlich einfach da. Eine kleine Bettgeschichte Der Titel ist sicher für viele „verfänglich“. In der Umgangssprache wird unter einer „Bettgeschichte“ durchaus etwas anderes verstanden als ich zum Ausdruck gebracht habe. Irgendwann 1994, 1995 kam mir die Idee zu dieser kleinen Geschichte. Sie hat zwei Gründe: zum einen die Tatsache, dass das Bett ein wesentlicher Mittelpunkt unseres Lebens ist. Wir werden an kaum einem Ort soviel Zeit verbracht haben wie in unserem Bett. Das Bett ist unser zentraler Begleiter durchs Leben. Diese Tatsache verweist auf den zweiten Grund: Nämlich, das unser „Leben vergeht“. Es vergeht unter diesen oder jenen Umständen, der Bezugspunkt bei allem was geschieht bleibt aber immer bestehen: unser Bett, genauer Nachtlager, denn „das Bett“ ist hier ein Synonym für alle möglichen Arten eines Nachtlagers: der Schlafsack am Strand genauso wie vielleicht die Kartons in einem Hauseingang oder einer Gefängnispritsche - je nach Lebensgeschichte. Diese Bettgeschichte ist also eine von vielen möglichen Geschichten. Blau gegen Rot Die Geschichte ist eine der Geschichten die ich schon vor etlichen Jahren geschrieben und vollendet habe. Irgendwann in den achtziger Jahren ist sie mir eingefallen, allerdings nicht in der Form, in der sie nun vorliegt. Wie viele meiner Geschichten hat sie eine mehrjährige Entwicklung hinter sich. Ursprünglich wollte ich eigentlich eine Art Antikriegsstory schreiben. Nun gehöre ich zu den Leuten, die sich (glücklicherweise!?) mehr von dem sich entwickelnden Text beeinflussen lassen als von der Absicht, irgendeine Aussage zu versinnbildlichen. So ist aus der ursprünglichen Absicht nichts geworden, der Text gefiel mir nicht, blieb liegen, weil ich ihn als gescheitert betrachtete. Die Monate vergehen, aber die Story „wurmt“, sie verlangt danach beendet zu werden, neue Ideen fließen in die Story ein, wandeln sie und dann haben ich irgendwann einen Text, den ich so „gut“ finde, das ich mich nicht scheue ihn Lesern vorzulegen. Um meine Schreibfähigkeiten zu verbessern belegte ich Anfang der neunziger Jahre bei der Axel Anderson Akademie einen Fernlehrgang in der „Schule des Schreibens“. Nach Abschluss des Lehrgangs hat man die Möglichkeit ein Lektorat zu nutzen, dass die Story beurteilt und Verlage oder Zeitungen empfiehlt, bei denen eine Story veröffentlicht werden könnte. Dieses Lektorat habe ich einmal in Anspruch genommen für eine Reihe meiner Storys, darunter „Blau gegen Rot“. Die Geschichte fand bei den Profis keine Gnade, die Lektorin schrieb mir: „Die restlichen Manuskripte sind leider vom Inhalt her unbrauchbar. Es handelt sich dabei um Themen, die keine Zeitung abdruckt, da sie ohne besondere Aussage sind. Was Kinder von Manövern halten, interessiert wirklich keinen Zeitungsleser.“ Ein klares Urteil. Die Storys, die als brauchbar und mit guter Veröffentlichungschance akzeptiert wurden fanden dann allerdings bei den empfohlenen Verlagen kein Interesse und mein Interesse an ein professionelles Lektorat war damit auch dahin. Wohnungssuche mit Butter und Seife Zwischen 1992 und 1995 habe ich an dieser Geschichte gefeilt. Auslöser war eine Zeitungsmeldung. In dem Artikel wurde von einer alleinstehenden älteren Frau berichtet, die Annoncen aufgab in der sie eine Wohnung zum vermieten angab. Kamen die Wohnungssuchenden, wurden sie zu Kaffee und Kuchen eingeladen und die Frau versuchte sich möglichst lange mit den Leuten zu unterhalten, bis sich herausstellte, dass sie gar keine Wohnung zu vermieten hatte. Sie suchte in ihrer Einsamkeit nur die Unterhaltung. Diese Zeitungsmeldung ist mir nie richtig aus dem Kopf gegangen und eines Tages hatte ich die Idee zu einer Story mit dem Ergebnis des vorliegenden Textes. So kommt man halt zu seinen Geschichten. Modern Coup Was der Auslöser für diese Geschichte war kann ich heute nicht mehr erinnern. Ungefähr 1993 wollte ich eine Geschichte schreiben, die humorvoll wie spannend, ja erschreckend zugleich ist. Wahrscheinlich hatte ich etwas gelesen oder im Kino/TV gesehen, in dem lachen und erschrecken sich schlagartig abgelöst haben und so war der Wunsch entstanden ähnliches zu schaffen. Die Vorstellung wie eine Story auf einen Leser wirken soll war also da, nur von einer Story selbst war weit und breit nichts vorhanden. Also habe ich angefangen drauf los zu konstruieren, Fragmente geschrieben, aber nichts wollte sich zu einer Story so recht fügen und frustriert habe ich die Fragmente in die Ecke gepfeffert (Entwürfe oder gescheiterte Texte werfe ich grundsätzlich nicht weg). Die Zeit vergeht und in einer „langweiligen Stunde“ auf der Suche nach Material für eine Story wühle ich dann schon mal in meinen gescheiterten Werken herum und sie da, was mir vor langer Zeit nach reichlich Arbeit als „Mist“ vor kam hatte dann doch etwas interessantes und plötzlich entwickelte sich die Story. Der nun entstehende Text hat - wie so häufig - mit der ursprünglichen Intention nicht mehr viel gemein, dafür gefällt, was auf Bildschirm und Papier steht. Und fertig ist das Ding. So eine Art Dunkelblitzen Die Geschichte ist 1996 entstanden infolge eines Traumes, den ich während eines längeren Aufenthaltes im Sommer auf Kreta hatte. Tag für Tag brüllt die Sonne dort im Sommer vom wolkenfreien Himmel, das es manchmal schon zu viel ist. Eines Nachts hatte ich also einen wirren (Alp-)Traum von dem mir kaum etwas in Erinnerung blieb als ein seltsam beklemmendes Gefühl was man wohl bekommen würde wenn die Sonne eines morgens nicht mehr am Horizont hoch kriechen würde. Der Traum, genauer gesagt dieses seltsame traumhafte Angstgefühl, das ich erlebte, fand ich so beeindruckend, schon allein, weil ich extrem selten Alpträume habe, dass es mich eine Weile beschäftigte. Und was jemanden beschäftigt, der Geschichten schreibt drängt letztlich danach schriftlich verarbeitet zu werden. Also konstruierte ich eine Story, deren Elemente sich auch relativ schnell zu einem Text fügten. Die eigentliche Story hat aber nichts mit meinen tatsächlichen Erlebnissen zu tun, sondern sie ist reine Fantasie wenn auch einzelne Aspekte meiner Erlebnisse und Erfahrungen eingearbeitet sind. Aber ohne (Lebens-) Erfahrungen könnte man ja eh' keine Geschichten fabulieren. Donnerstag der Zwölfte Die Geschichte ist ein reines Produkt meiner Lust Geschichten zu fabulieren ohne das es einen besonderen Grund dazu gegeben hat. Sie ist mir eingefallen auf der Suche nach einer Geschichte. Es mag vielleicht ein Freitag der 13. gewesen sein, der mich zu diesem Thema inspirierte, ich kann mich heute nicht mehr daran erinnern. Begonnen habe ich die Story 1992 aber erst 1993 war ich damit fertig, weil sie mir zwischenzeitlich nicht recht gelingen wollte, sie also wie die meisten Storys zunächst auf den Haufen meiner „unvollendeten Werke“ landete. Die Hammermethode Zwischen 1993 und 1994 habe ich über diese Story gebrütet. In der Zeit ist die jetzige Fassung entstanden. So weit ich mich erinnern kann, habe ich aber schon ein paar Jahre zuvor die grundsätzliche Idee zu der Geschichte gehabt. Ursprünglich wollte ich eine Geschichte schreiben über einen Menschen, der sich in verschiedenen Situationen „absurd“ verhält ohne im eigentlichen Sinn verrückt zu sein, weil sein Verhalten bewusst gespielt ist. Doch mit dieser Idee bin ich nicht so recht zurande gekommen, der Text wollte „eigene Wege“ gehen und dann war die vorliegende Geschichte so weit fertig, dass sie nur noch ausgefeilt werden brauchte. Rache für Blutsbruder Jan Zwischen 1991 und 1993 habe ich an der Geschichte immer mal immer wieder gefeilt und ganz zufrieden bin ich mit der Story noch immer nicht, nur das ich zwischenzeitlich weder an dem Thema noch an dem Text besonderes Interesse habe. Sie wird also wohl bleiben wie sie ist. Den eigentlichen Anlass oder Beweggrund für die Geschichte kann ich auch nicht mehr erinnern. Mit der Zeit vergisst man halt so manches. Martinis Poesie Irgendwann in den achtziger Jahren habe ich den wesentlichen Teil der Story geschrieben, aber zwischen 1991 und 1995 immer mal wieder an ihr gefeilt. Die ursprüngliche Absicht war, an einem Text zu arbeiten der nicht im klassischen Erzählstil (meinem üblichen) geschrieben wird - zum einen, zum anderen fand ich das Plakative der modernen Waren- und Medienwelt interessant genug für eine Story und so habe ich längere Zeit darüber nachgedacht, wie ich das wohl anstellen könnte, bis sich eben der Eindruck von meiner Umwelt mit der Lust an einen etwas unkonventionellen Text verband. Aus dieser Zeit unkonventionell mit Texten umzugehen stammt auch die Story „Vergeblich“. Zu beiden Storys hatte ich aber über lange Zeit ein eher unbefriedigendes Verhältnis, d.h., ich fand sie nicht gut genug um sie jemanden zum Lesen zu geben. Nachdem die vorliegende Story aber durchaus von manchen positiv beurteilt wurde gehört sie (ebenso wie „Vergeblich“) nun auch zu der Sammlung Geschichten für die ich das Licht der Öffentlichkeit nicht scheuen brauch. Der unerreichbare Salon Diese Geschichte hat eine längere Geschichte hinter sich. In der vorliegenden Form habe ich sie zwischen 1993 und 1995 bearbeitet. Ihr Kern führt aber auf den Wunsch zurück, den ich in den achtziger Jahren hatte, nämlich eine Geschichte zu schreiben in der ein altes, verlassenes Haus im Mittelpunkt steht, denn verlassene Häuser üben auf mich eine gewisse Faszination aus. Vielleicht liegt das daran, das ich als Kind (etwa um die Zeit des zweiten, dritten Schuljahres herum) mit einem Spielkamerad bei einem Nachbarn in sein Haus eingebrochen bin. Dieser Nachbar hatte das Haus verkauft, es stand eine Weile leer bis die neuen Besitzer einzogen. Während dieser Zeit fanden wir heraus, das ein Kellerfenster offen war durch das wir Knirpse in das Haus schlüpfen und vom Keller bis unterm Dach durch die leeren Räume toben konnten. Eine abenteuerlich- fantastische Sache, die besonders abenteuerlich wurde, als die neuen Besitzer kamen, während wir in der ersten Etage waren. Wir versteckten uns in einem Abstellraum und mussten eine ganze Weile warten bis die Leute wieder gegangen waren, so das wir unentdeckt durch das Kellerfenster zurück in die Freiheit gelangen konnten. Das war es dann auch. Seit jener Zeit faszinieren mich alte, verlassene Gebäude immer wieder und als ehemaliger Handwerker hatte ich oftmals die Gelegenheit (legal) in entsprechende Gebäude zu kommen. Wenn ich durch die leeren Räume gehe, so ist es als dränge das Haus mir seine Geschichte auf, oder das, was ich dem Haus für eine Geschichte, die es „erlebt“ hat, zuschreibe. Die leeren, verlassenen Räume regen meine Fantasie an (bewohnte, möblierte Räume dagegen lassen mich vollkommen kalt, genauso wie Neubauten, die allenfalls nach Arbeit stinken). Dieses besondere Verhältnis zu alten, verlassenen Gebäuden drängte sich natürlich auf in eine Geschichte verarbeitet zu werden in der ein verlassenes Haus im Mittelpunkt steht. Doch es ist schon so eine Sache mit Storys, die noch vollkommen unförmig im „Bauch“ oder in der Psyche herumlungern: sobald sie in einen Text übergehen sollen, will dieser Texte oft nicht mehr so, wie es das Gefühl versprach. Der Text will nicht in der ersonnenen und vor gefühlten Rahmen passen und sucht sich seine eigenen Wege. Das Ergebnis ist (zunächst) dass ich abgrundtief unzufrieden mit dem Text bin, ihn als gescheitert ansehe und ihn auf den Haufen meiner Fragmente und unvollendeten Werke lege. Wenn das Textfragment als ganzes meinem Urteil nach auch Schrott ist, einzelne Elemente, Szenen, Beschreibungen haben etwas, das mich nicht ruhen lässt, dass förmlich danach schreit endlich in eine Story gebettet zu werden. So war es dann auch mit der vorliegenden Story. Der ursprüngliche Kern ist kaum mehr vorhanden - es geht in der Story nicht um das Haus. Die geschilderten Geschehnisse sind dagegen nichts als reine Erfindung die im übrigen ein reales Haus mir nie „geflüstert“ hat. Schuld war ihre linke Hand Der Titel der Story ist blöd, ich weis und mir wurde es auch schon gesagt. Irgendwann werde ich ihn noch ändern, das aber hat Zeit. Die Story selbst ist eine Art Lehrlingsarbeit, denn sie entstand im Rahmen meines Fernlehrgangs in der „Schule des Schreibens“ der Axel Anderson Akademie Anfang der neunziger Jahre. Aufgabe war es, anhand eines vorgelegten Fotos eine Geschichte zu schreiben von einer maximalen Zeilenzahl. Also brütete das Hirn und heraus kam dieser kleine Psychokrimi. Fotos oder Bilder eignen sich tatsächlich sehr gut um anhand ihrer „Aussagen“ - die in tausenderlei Richtungen gehen können - munter drauf los zu fabulieren. Sie sind als Vorlage alle mal besser als wenn man auf der Suche nach einer Story seinen Denkapparat in den freien dunklen Raum hängt. In einer Welt mit wenigen Sternen Diese Geschichte ist genauso wie die Story „Schuld war ihre linke Hand“ infolge einer Aufgabenstellung während meines Fernlehrganges in der „Schule des Schreibens“ Anfang der neunziger Jahre entstanden. Doch anders als die genannte Story erlitt ich mit der vorliegenden zunächst einen Schiffbruch: Vorlage war die Beschreibung einer Szene in der ein Mann auf einem Bahnhof eine Frau verabschiedet. Diese Szene sollte in eine zu schreibende Story von einer maximal vorgegebenen Länge, genauer Kürze, untergebracht werden. An dieser Vorlage wäre ich fast gescheitert denn mir wollte nichts gescheites einfallen. Jede „Ehekrise“, jeder Aspekt eines Krimis, einfach alles was mir dazu einfiel fand ich ganz schnell abgeschmackt, kurz: die vorgelegte Szene, meinte ich, könne nicht in einer leidlich guten Story vorkommen die nur wenige Zeilen lang sein durfte. Wäre die zu schreibende Story nicht eine Aufgabe gewesen, ich hätte die Materialien in den Fragmentekasten geworfen und da würden sie wohl noch heute liegen. Doch die Aufgabe musste gelöst werden. Da die Szene mir nichts sagte setzte ich sie in ein TV-Gerät, dass in der eigentlichen Story nur im Hintergrund lief. Damit war die Grundlage der vorliegenden Geschichte geschaffen. In der verlangten Kürze konnte ich aber diese Idee nicht gescheit zu ende formulieren, kürzte über das Maß hinaus um die Vorgabe zu erfüllen mit dem Ergebnis, dass die Arbeit kein gefallen finden konnte. Später, ohne den Zwang zu kürzen, schrieb ich sie in die heutige Form. Das Stilett und die Vernissage Wenn man halbwegs brauchbare Geschichten zusammen fabuliert dann drückt sich in ihnen nicht nur die eigene Befindlichkeit, eigene Erlebnisse, ein Wollen oder die Fantasie aus, sondern es findet auch die Frage Eingang, wie die einzelnen Szenen wohl auf einen Leser wirken werden, ob bei ihm eine vergleichbare Vorstellung hervorgerufen wird über das, was man mit seinem Text zum Ausdruck bringen möchte. Tatsächlich ist die Wirkung von Texten analysierbar, damit auch Gegenstand der Grundlagen über den Erzählstil. Es gibt also vereinfacht ausgedrückt Strickmuster, nach denen man Vorstellungen der gewünschten Art beim Leser hervorrufen kann (zum Beispiel Spannung). Ob das mit dem jeweiligen Text wirklich immer gelingt ist dann ein anderes Thema. Als Schreiberling bin ich mir dieser Techniken durchaus bewusst. Ungefähr 1994/95, als ich gerade durch die Gegend radelte, dachte ich über diesen Umstand nach und hatte Lust mit dieser Technik ein wenig zu spielen. Ja, ich bekam Lust eine Geschichte zu schreiben, in der ich eigentlich überhaupt nichts erzähle, keinerlei Aussage mache, sondern in der ich nur Techniken irgendwie aneinanderreihe. Kurz: ich bekam Lust mit der Erwartung eines Lesers, eine möglichst gute Geschichte erzählt zu bekommen, zu spielen ohne wirklich eine Geschichte erzählt zu haben. Als ich mein Ziel mit dem Rad erreichte standen auch die Grundelemente meiner Story fest und wieder zu hause begann ich an dem Text zu arbeiten. Interessant ist, das ich auf diese Story sehr unterschiedliche Reaktionen bekommen habe. Es gab Leute, die sie sehr gut fanden und andere die erklärten, die Story wäre ja wohl reiner Blödsinn, womit sie durchaus ein wenig recht haben. Die Stimmen im Wind Nach einer kleinen Wanderung auf Kreta legte ich mich leicht ermüdet in den Schatten einer Felswand während hoch über mir am Rande eines Feldes der Wind in dem Bambuszaun zerrte und ein interessantes Geräusch verursachte. Es hörte sich so an, als wären die Stimmen vieler sich unterhaltender Menschen ganz leicht zu hören, die irgendwo entfernt auf dem Feld stünden und deren Unterhaltung durch das zerrende und pfeifende Geräusch des Windes am Zaun fast überdeckt wurde. Geräusche, Lichtspiegelungen, Gesten von Menschen, Bewegungen; vielerlei Eindrücke sammeln wir mit der Zeit und an manche können wir uns noch lange erinnern, auch wenn es sich oft nur um nebensächliche Eindrücke handelt. Diese Stimmen im Wind gab es natürlich nicht. Das was ich mit etwas Fantasie aus den Windgeräuschen heraus gehört hatte war dennoch von einem bleibenden Eindruck. Gut ein Jahr später, also 1995 fabulierte ich um dieses belanglose akustische Erlebnis in einer ruhigen Stunde eine Geschichte. Das was dann auf dem Papier stand (ich schrieb diese Geschichte wiederum auf Kreta am Tisch in einer Taverne bzw. vor meinem Zelt sitzend) wollte mir einfach nicht gefallen, das Fragment landete also auf den Haufen unvollendeter Geschichten von dem ich es 1996 herunter holte und weiter bearbeitete - bis zur vorliegenden Story. Vergeblich An dieser Geschichte habe ich in den achtziger Jahren herumgewerkelt, auf der Suche nach erzählerischen Effekten. Die Versuche mit besonderen Satzkonstruktionen diese Effekte zu bewirken sind in der Regel unbefriedigend verlaufen. Zu den beiden Geschichten, die sich zu einem brauchbaren Text entwickelten, gehörte die vorliegende Story sowie die Story „Martinis Poesie“. Der Schrei des Vogel Bleib Bevor diese Geschichte zu der geworden ist wie sie nun vorliegt hat es lange Jahre gebraucht. Ursprünglich hatte sie einen starken biographischen Kern. Anfang der achtziger Jahre war ich erstmals auf Kreta. Über die Erlebnisse bei Urlaubsreisen mögen die meisten Menschen gerne etwas erzählen und ihre Fotos herumreichen. Wenn jemand wie ich zudem noch ein Schreiberling ist bietet es sich an, seine Erlebnisse schriftlich zu fixieren. Ich wollte etwas von meinen Erlebnissen und der Atmosphäre aufs Papier bannen. Das war mir dann auch ganz gut gelungen, nur war es keine Story. Es war im Prinzip so nüchtern wie ein Tagebuch. Doch schon als ich die Texte in die Ecke legte spürte ich, das ich irgend wann einmal auf diese Material zurückgreifen würde um wirklich eine Story daraus zu machen. Mehrmals versuchte ich mich in den folgenden Jahren daran, doch nie gefiel mir der Text. 1991 brachte ich es endlich zu einer Geschichte die ich allerdings erst 1995 vollendete. Der vorliegende Text hat nun aber kaum noch etwas mit meinen eigenen Erlebnissen zu tun. Das meiste an der Geschichte ist ein reines Fantasieprodukt. Doch so ist es ja meistens bei Geschichten, denn wer erlebt schon eine wirklich für einen Text reife Story? Eine seltsame Zahnbehandlung Vielleicht ist mir diese Geschichte sogar im Wartezimmer beim Zahnarzt eingefallen, ich weis es nicht mehr. Zumindest ist sie entstanden, weil ich eine Geschichte schreiben wollte und nach einem Stoff suchte. Für diese Geschichte gibt es also keinen eigentlichen Anlass oder Auslöser. Ungefähr ende der achtziger Jahre habe ich mit ihr begonnen und nach längerer Lagerung auf meinen Haufen mit „gescheiterten Geschichten“ schrieb ich die endgültige Fassung 1993.
Wesen aus Fantasie und Worten Der Storybeutel
Jede Story hat eine Story Die Arbeitenden Die meisten Leute werden mit dieser Geschichte wenig anfangen können, wenn sie auch als merkwürdig und lesbar, also durchaus mit einem Spannungsbogen versehen, daher kommt. Dennoch: was will sie uns sagen, mag sich so mancher fragen. Was will der Autor mit dieser Geschichte zum Ausdruck bringen? Nun, sagen wollte ich eigentlich nichts besonderes. Muss denn eine Geschichte immer eine deutliche Aussage beinhalten? Diese Geschichte ist mir etwa 1990/1991 „eingefallen“. Ich hatte ein „Bild“ vor mir, das aus Fantasie und eigenen Erfahrungen beruhte. Während meiner Ausbildung habe ich in einer Metallwerkstatt eine Zeit gearbeitet. Weniger Erfahrungen sondern mehr bildhafte Erinnerungen, sinnliche Eindrücke drängten sich mir auf, die ich aber in keiner realistischen Weise verarbeiten konnte. Wie viele meiner Geschichten war auch diese in ihrer Grundstruktur plötzlich einfach da. Eine kleine Bettgeschichte Der Titel ist sicher für viele „verfänglich“. In der Umgangssprache wird unter einer „Bettgeschichte“ durchaus etwas anderes verstanden als ich zum Ausdruck gebracht habe. Irgendwann 1994, 1995 kam mir die Idee zu dieser kleinen Geschichte. Sie hat zwei Gründe: zum einen die Tatsache, dass das Bett ein wesentlicher Mittelpunkt unseres Lebens ist. Wir werden an kaum einem Ort soviel Zeit verbracht haben wie in unserem Bett. Das Bett ist unser zentraler Begleiter durchs Leben. Diese Tatsache verweist auf den zweiten Grund: Nämlich, das unser „Leben vergeht“. Es vergeht unter diesen oder jenen Umständen, der Bezugspunkt bei allem was geschieht bleibt aber immer bestehen: unser Bett, genauer Nachtlager, denn „das Bett“ ist hier ein Synonym für alle möglichen Arten eines Nachtlagers: der Schlafsack am Strand genauso wie vielleicht die Kartons in einem Hauseingang oder einer Gefängnispritsche - je nach Lebensgeschichte. Diese Bettgeschichte ist also eine von vielen möglichen Geschichten. Blau gegen Rot Die Geschichte ist eine der Geschichten die ich schon vor etlichen Jahren geschrieben und vollendet habe. Irgendwann in den achtziger Jahren ist sie mir eingefallen, allerdings nicht in der Form, in der sie nun vorliegt. Wie viele meiner Geschichten hat sie eine mehrjährige Entwicklung hinter sich. Ursprünglich wollte ich eigentlich eine Art Antikriegsstory schreiben. Nun gehöre ich zu den Leuten, die sich (glücklicherweise!?) mehr von dem sich entwickelnden Text beeinflussen lassen als von der Absicht, irgendeine Aussage zu versinnbildlichen. So ist aus der ursprünglichen Absicht nichts geworden, der Text gefiel mir nicht, blieb liegen, weil ich ihn als gescheitert betrachtete. Die Monate vergehen, aber die Story „wurmt“, sie verlangt danach beendet zu werden, neue Ideen fließen in die Story ein, wandeln sie und dann haben ich irgendwann einen Text, den ich so „gut“ finde, das ich mich nicht scheue ihn Lesern vorzulegen. Um meine Schreibfähigkeiten zu verbessern belegte ich Anfang der neunziger Jahre bei der Axel Anderson Akademie einen Fernlehrgang in der „Schule des Schreibens“. Nach Abschluss des Lehrgangs hat man die Möglichkeit ein Lektorat zu nutzen, dass die Story beurteilt und Verlage oder Zeitungen empfiehlt, bei denen eine Story veröffentlicht werden könnte. Dieses Lektorat habe ich einmal in Anspruch genommen für eine Reihe meiner Storys, darunter „Blau gegen Rot“. Die Geschichte fand bei den Profis keine Gnade, die Lektorin schrieb mir: „Die restlichen Manuskripte sind leider vom Inhalt her unbrauchbar. Es handelt sich dabei um Themen, die keine Zeitung abdruckt, da sie ohne besondere Aussage sind. Was Kinder von Manövern halten, interessiert wirklich keinen Zeitungsleser.“ Ein klares Urteil. Die Storys, die als brauchbar und mit guter Veröffentlichungschance akzeptiert wurden fanden dann allerdings bei den empfohlenen Verlagen kein Interesse und mein Interesse an ein professionelles Lektorat war damit auch dahin. Wohnungssuche mit Butter und Seife Zwischen 1992 und 1995 habe ich an dieser Geschichte gefeilt. Auslöser war eine Zeitungsmeldung. In dem Artikel wurde von einer alleinstehenden älteren Frau berichtet, die Annoncen aufgab in der sie eine Wohnung zum vermieten angab. Kamen die Wohnungssuchenden, wurden sie zu Kaffee und Kuchen eingeladen und die Frau versuchte sich möglichst lange mit den Leuten zu unterhalten, bis sich herausstellte, dass sie gar keine Wohnung zu vermieten hatte. Sie suchte in ihrer Einsamkeit nur die Unterhaltung. Diese Zeitungsmeldung ist mir nie richtig aus dem Kopf gegangen und eines Tages hatte ich die Idee zu einer Story mit dem Ergebnis des vorliegenden Textes. So kommt man halt zu seinen Geschichten. Modern Coup Was der Auslöser für diese Geschichte war kann ich heute nicht mehr erinnern. Ungefähr 1993 wollte ich eine Geschichte schreiben, die humorvoll wie spannend, ja erschreckend zugleich ist. Wahrscheinlich hatte ich etwas gelesen oder im Kino/TV gesehen, in dem lachen und erschrecken sich schlagartig abgelöst haben und so war der Wunsch entstanden ähnliches zu schaffen. Die Vorstellung wie eine Story auf einen Leser wirken soll war also da, nur von einer Story selbst war weit und breit nichts vorhanden. Also habe ich angefangen drauf los zu konstruieren, Fragmente geschrieben, aber nichts wollte sich zu einer Story so recht fügen und frustriert habe ich die Fragmente in die Ecke gepfeffert (Entwürfe oder gescheiterte Texte werfe ich grundsätzlich nicht weg). Die Zeit vergeht und in einer „langweiligen Stunde“ auf der Suche nach Material für eine Story wühle ich dann schon mal in meinen gescheiterten Werken herum und sie da, was mir vor langer Zeit nach reichlich Arbeit als „Mist“ vor kam hatte dann doch etwas interessantes und plötzlich entwickelte sich die Story. Der nun entstehende Text hat - wie so häufig - mit der ursprünglichen Intention nicht mehr viel gemein, dafür gefällt, was auf Bildschirm und Papier steht. Und fertig ist das Ding. So eine Art Dunkelblitzen Die Geschichte ist 1996 entstanden infolge eines Traumes, den ich während eines längeren Aufenthaltes im Sommer auf Kreta hatte. Tag für Tag brüllt die Sonne dort im Sommer vom wolkenfreien Himmel, das es manchmal schon zu viel ist. Eines Nachts hatte ich also einen wirren (Alp-)Traum von dem mir kaum etwas in Erinnerung blieb als ein seltsam beklemmendes Gefühl was man wohl bekommen würde wenn die Sonne eines morgens nicht mehr am Horizont hoch kriechen würde. Der Traum, genauer gesagt dieses seltsame traumhafte Angstgefühl, das ich erlebte, fand ich so beeindruckend, schon allein, weil ich extrem selten Alpträume habe, dass es mich eine Weile beschäftigte. Und was jemanden beschäftigt, der Geschichten schreibt drängt letztlich danach schriftlich verarbeitet zu werden. Also konstruierte ich eine Story, deren Elemente sich auch relativ schnell zu einem Text fügten. Die eigentliche Story hat aber nichts mit meinen tatsächlichen Erlebnissen zu tun, sondern sie ist reine Fantasie wenn auch einzelne Aspekte meiner Erlebnisse und Erfahrungen eingearbeitet sind. Aber ohne (Lebens-) Erfahrungen könnte man ja eh' keine Geschichten fabulieren. Donnerstag der Zwölfte Die Geschichte ist ein reines Produkt meiner Lust Geschichten zu fabulieren ohne das es einen besonderen Grund dazu gegeben hat. Sie ist mir eingefallen auf der Suche nach einer Geschichte. Es mag vielleicht ein Freitag der 13. gewesen sein, der mich zu diesem Thema inspirierte, ich kann mich heute nicht mehr daran erinnern. Begonnen habe ich die Story 1992 aber erst 1993 war ich damit fertig, weil sie mir zwischenzeitlich nicht recht gelingen wollte, sie also wie die meisten Storys zunächst auf den Haufen meiner „unvollendeten Werke“ landete. Die Hammermethode Zwischen 1993 und 1994 habe ich über diese Story gebrütet. In der Zeit ist die jetzige Fassung entstanden. So weit ich mich erinnern kann, habe ich aber schon ein paar Jahre zuvor die grundsätzliche Idee zu der Geschichte gehabt. Ursprünglich wollte ich eine Geschichte schreiben über einen Menschen, der sich in verschiedenen Situationen „absurd“ verhält ohne im eigentlichen Sinn verrückt zu sein, weil sein Verhalten bewusst gespielt ist. Doch mit dieser Idee bin ich nicht so recht zurande gekommen, der Text wollte „eigene Wege“ gehen und dann war die vorliegende Geschichte so weit fertig, dass sie nur noch ausgefeilt werden brauchte. Rache für Blutsbruder Jan Zwischen 1991 und 1993 habe ich an der Geschichte immer mal immer wieder gefeilt und ganz zufrieden bin ich mit der Story noch immer nicht, nur das ich zwischenzeitlich weder an dem Thema noch an dem Text besonderes Interesse habe. Sie wird also wohl bleiben wie sie ist. Den eigentlichen Anlass oder Beweggrund für die Geschichte kann ich auch nicht mehr erinnern. Mit der Zeit vergisst man halt so manches. Martinis Poesie Irgendwann in den achtziger Jahren habe ich den wesentlichen Teil der Story geschrieben, aber zwischen 1991 und 1995 immer mal wieder an ihr gefeilt. Die ursprüngliche Absicht war, an einem Text zu arbeiten der nicht im klassischen Erzählstil (meinem üblichen) geschrieben wird - zum einen, zum anderen fand ich das Plakative der modernen Waren- und Medienwelt interessant genug für eine Story und so habe ich längere Zeit darüber nachgedacht, wie ich das wohl anstellen könnte, bis sich eben der Eindruck von meiner Umwelt mit der Lust an einen etwas unkonventionellen Text verband. Aus dieser Zeit unkonventionell mit Texten umzugehen stammt auch die Story „Vergeblich“. Zu beiden Storys hatte ich aber über lange Zeit ein eher unbefriedigendes Verhältnis, d.h., ich fand sie nicht gut genug um sie jemanden zum Lesen zu geben. Nachdem die vorliegende Story aber durchaus von manchen positiv beurteilt wurde gehört sie (ebenso wie „Vergeblich“) nun auch zu der Sammlung Geschichten für die ich das Licht der Öffentlichkeit nicht scheuen brauch. Der unerreichbare Salon Diese Geschichte hat eine längere Geschichte hinter sich. In der vorliegenden Form habe ich sie zwischen 1993 und 1995 bearbeitet. Ihr Kern führt aber auf den Wunsch zurück, den ich in den achtziger Jahren hatte, nämlich eine Geschichte zu schreiben in der ein altes, verlassenes Haus im Mittelpunkt steht, denn verlassene Häuser üben auf mich eine gewisse Faszination aus. Vielleicht liegt das daran, das ich als Kind (etwa um die Zeit des zweiten, dritten Schuljahres herum) mit einem Spielkamerad bei einem Nachbarn in sein Haus eingebrochen bin. Dieser Nachbar hatte das Haus verkauft, es stand eine Weile leer bis die neuen Besitzer einzogen. Während dieser Zeit fanden wir heraus, das ein Kellerfenster offen war durch das wir Knirpse in das Haus schlüpfen und vom Keller bis unterm Dach durch die leeren Räume toben konnten. Eine abenteuerlich-fantastische Sache, die besonders abenteuerlich wurde, als die neuen Besitzer kamen, während wir in der ersten Etage waren. Wir versteckten uns in einem Abstellraum und mussten eine ganze Weile warten bis die Leute wieder gegangen waren, so das wir unentdeckt durch das Kellerfenster zurück in die Freiheit gelangen konnten. Das war es dann auch. Seit jener Zeit faszinieren mich alte, verlassene Gebäude immer wieder und als ehemaliger Handwerker hatte ich oftmals die Gelegenheit (legal) in entsprechende Gebäude zu kommen. Wenn ich durch die leeren Räume gehe, so ist es als dränge das Haus mir seine Geschichte auf, oder das, was ich dem Haus für eine Geschichte, die es „erlebt“ hat, zuschreibe. Die leeren, verlassenen Räume regen meine Fantasie an (bewohnte, möblierte Räume dagegen lassen mich vollkommen kalt, genauso wie Neubauten, die allenfalls nach Arbeit stinken). Dieses besondere Verhältnis zu alten, verlassenen Gebäuden drängte sich natürlich auf in eine Geschichte verarbeitet zu werden in der ein verlassenes Haus im Mittelpunkt steht. Doch es ist schon so eine Sache mit Storys, die noch vollkommen unförmig im „Bauch“ oder in der Psyche herumlungern: sobald sie in einen Text übergehen sollen, will dieser Texte oft nicht mehr so, wie es das Gefühl versprach. Der Text will nicht in der ersonnenen und vor gefühlten Rahmen passen und sucht sich seine eigenen Wege. Das Ergebnis ist (zunächst) dass ich abgrundtief unzufrieden mit dem Text bin, ihn als gescheitert ansehe und ihn auf den Haufen meiner Fragmente und unvollendeten Werke lege. Wenn das Textfragment als ganzes meinem Urteil nach auch Schrott ist, einzelne Elemente, Szenen, Beschreibungen haben etwas, das mich nicht ruhen lässt, dass förmlich danach schreit endlich in eine Story gebettet zu werden. So war es dann auch mit der vorliegenden Story. Der ursprüngliche Kern ist kaum mehr vorhanden - es geht in der Story nicht um das Haus. Die geschilderten Geschehnisse sind dagegen nichts als reine Erfindung die im übrigen ein reales Haus mir nie „geflüstert“ hat. Schuld war ihre linke Hand Der Titel der Story ist blöd, ich weis und mir wurde es auch schon gesagt. Irgendwann werde ich ihn noch ändern, das aber hat Zeit. Die Story selbst ist eine Art Lehrlingsarbeit, denn sie entstand im Rahmen meines Fernlehrgangs in der „Schule des Schreibens“ der Axel Anderson Akademie Anfang der neunziger Jahre. Aufgabe war es, anhand eines vorgelegten Fotos eine Geschichte zu schreiben von einer maximalen Zeilenzahl. Also brütete das Hirn und heraus kam dieser kleine Psychokrimi. Fotos oder Bilder eignen sich tatsächlich sehr gut um anhand ihrer „Aussagen“ - die in tausenderlei Richtungen gehen können - munter drauf los zu fabulieren. Sie sind als Vorlage alle mal besser als wenn man auf der Suche nach einer Story seinen Denkapparat in den freien dunklen Raum hängt. In einer Welt mit wenigen Sternen Diese Geschichte ist genauso wie die Story „Schuld war ihre linke Hand“ infolge einer Aufgabenstellung während meines Fernlehrganges in der „Schule des Schreibens“ Anfang der neunziger Jahre entstanden. Doch anders als die genannte Story erlitt ich mit der vorliegenden zunächst einen Schiffbruch: Vorlage war die Beschreibung einer Szene in der ein Mann auf einem Bahnhof eine Frau verabschiedet. Diese Szene sollte in eine zu schreibende Story von einer maximal vorgegebenen Länge, genauer Kürze, untergebracht werden. An dieser Vorlage wäre ich fast gescheitert denn mir wollte nichts gescheites einfallen. Jede „Ehekrise“, jeder Aspekt eines Krimis, einfach alles was mir dazu einfiel fand ich ganz schnell abgeschmackt, kurz: die vorgelegte Szene, meinte ich, könne nicht in einer leidlich guten Story vorkommen die nur wenige Zeilen lang sein durfte. Wäre die zu schreibende Story nicht eine Aufgabe gewesen, ich hätte die Materialien in den Fragmentekasten geworfen und da würden sie wohl noch heute liegen. Doch die Aufgabe musste gelöst werden. Da die Szene mir nichts sagte setzte ich sie in ein TV-Gerät, dass in der eigentlichen Story nur im Hintergrund lief. Damit war die Grundlage der vorliegenden Geschichte geschaffen. In der verlangten Kürze konnte ich aber diese Idee nicht gescheit zu ende formulieren, kürzte über das Maß hinaus um die Vorgabe zu erfüllen mit dem Ergebnis, dass die Arbeit kein gefallen finden konnte. Später, ohne den Zwang zu kürzen, schrieb ich sie in die heutige Form. Das Stilett und die Vernissage Wenn man halbwegs brauchbare Geschichten zusammen fabuliert dann drückt sich in ihnen nicht nur die eigene Befindlichkeit, eigene Erlebnisse, ein Wollen oder die Fantasie aus, sondern es findet auch die Frage Eingang, wie die einzelnen Szenen wohl auf einen Leser wirken werden, ob bei ihm eine vergleichbare Vorstellung hervorgerufen wird über das, was man mit seinem Text zum Ausdruck bringen möchte. Tatsächlich ist die Wirkung von Texten analysierbar, damit auch Gegenstand der Grundlagen über den Erzählstil. Es gibt also vereinfacht ausgedrückt Strickmuster, nach denen man Vorstellungen der gewünschten Art beim Leser hervorrufen kann (zum Beispiel Spannung). Ob das mit dem jeweiligen Text wirklich immer gelingt ist dann ein anderes Thema. Als Schreiberling bin ich mir dieser Techniken durchaus bewusst. Ungefähr 1994/95, als ich gerade durch die Gegend radelte, dachte ich über diesen Umstand nach und hatte Lust mit dieser Technik ein wenig zu spielen. Ja, ich bekam Lust eine Geschichte zu schreiben, in der ich eigentlich überhaupt nichts erzähle, keinerlei Aussage mache, sondern in der ich nur Techniken irgendwie aneinanderreihe. Kurz: ich bekam Lust mit der Erwartung eines Lesers, eine möglichst gute Geschichte erzählt zu bekommen, zu spielen ohne wirklich eine Geschichte erzählt zu haben. Als ich mein Ziel mit dem Rad erreichte standen auch die Grundelemente meiner Story fest und wieder zu hause begann ich an dem Text zu arbeiten. Interessant ist, das ich auf diese Story sehr unterschiedliche Reaktionen bekommen habe. Es gab Leute, die sie sehr gut fanden und andere die erklärten, die Story wäre ja wohl reiner Blödsinn, womit sie durchaus ein wenig recht haben. Die Stimmen im Wind Nach einer kleinen Wanderung auf Kreta legte ich mich leicht ermüdet in den Schatten einer Felswand während hoch über mir am Rande eines Feldes der Wind in dem Bambuszaun zerrte und ein interessantes Geräusch verursachte. Es hörte sich so an, als wären die Stimmen vieler sich unterhaltender Menschen ganz leicht zu hören, die irgendwo entfernt auf dem Feld stünden und deren Unterhaltung durch das zerrende und pfeifende Geräusch des Windes am Zaun fast überdeckt wurde. Geräusche, Lichtspiegelungen, Gesten von Menschen, Bewegungen; vielerlei Eindrücke sammeln wir mit der Zeit und an manche können wir uns noch lange erinnern, auch wenn es sich oft nur um nebensächliche Eindrücke handelt. Diese Stimmen im Wind gab es natürlich nicht. Das was ich mit etwas Fantasie aus den Windgeräuschen heraus gehört hatte war dennoch von einem bleibenden Eindruck. Gut ein Jahr später, also 1995 fabulierte ich um dieses belanglose akustische Erlebnis in einer ruhigen Stunde eine Geschichte. Das was dann auf dem Papier stand (ich schrieb diese Geschichte wiederum auf Kreta am Tisch in einer Taverne bzw. vor meinem Zelt sitzend) wollte mir einfach nicht gefallen, das Fragment landete also auf den Haufen unvollendeter Geschichten von dem ich es 1996 herunter holte und weiter bearbeitete - bis zur vorliegenden Story. Vergeblich An dieser Geschichte habe ich in den achtziger Jahren herumgewerkelt, auf der Suche nach erzählerischen Effekten. Die Versuche mit besonderen Satzkonstruktionen diese Effekte zu bewirken sind in der Regel unbefriedigend verlaufen. Zu den beiden Geschichten, die sich zu einem brauchbaren Text entwickelten, gehörte die vorliegende Story sowie die Story „Martinis Poesie“. Der Schrei des Vogel Bleib Bevor diese Geschichte zu der geworden ist wie sie nun vorliegt hat es lange Jahre gebraucht. Ursprünglich hatte sie einen starken biographischen Kern. Anfang der achtziger Jahre war ich erstmals auf Kreta. Über die Erlebnisse bei Urlaubsreisen mögen die meisten Menschen gerne etwas erzählen und ihre Fotos herumreichen. Wenn jemand wie ich zudem noch ein Schreiberling ist bietet es sich an, seine Erlebnisse schriftlich zu fixieren. Ich wollte etwas von meinen Erlebnissen und der Atmosphäre aufs Papier bannen. Das war mir dann auch ganz gut gelungen, nur war es keine Story. Es war im Prinzip so nüchtern wie ein Tagebuch. Doch schon als ich die Texte in die Ecke legte spürte ich, das ich irgend wann einmal auf diese Material zurückgreifen würde um wirklich eine Story daraus zu machen. Mehrmals versuchte ich mich in den folgenden Jahren daran, doch nie gefiel mir der Text. 1991 brachte ich es endlich zu einer Geschichte die ich allerdings erst 1995 vollendete. Der vorliegende Text hat nun aber kaum noch etwas mit meinen eigenen Erlebnissen zu tun. Das meiste an der Geschichte ist ein reines Fantasieprodukt. Doch so ist es ja meistens bei Geschichten, denn wer erlebt schon eine wirklich für einen Text reife Story? Eine seltsame Zahnbehandlung Vielleicht ist mir diese Geschichte sogar im Wartezimmer beim Zahnarzt eingefallen, ich weis es nicht mehr. Zumindest ist sie entstanden, weil ich eine Geschichte schreiben wollte und nach einem Stoff suchte. Für diese Geschichte gibt es also keinen eigentlichen Anlass oder Auslöser. Ungefähr ende der achtziger Jahre habe ich mit ihr begonnen und nach längerer Lagerung auf meinen Haufen mit „gescheiterten Geschichten“ schrieb ich die endgültige Fassung 1993.
Sie hielt den Hörer noch in der Hand obwohl er längst aufgelegt hatte. Ein Kilo Butter sollte sie mitbringen, Deutsche Markenbutter, das hatte der Mann betont, und zwei Stück Seife. Welche sei ihm gleichgültig, nur duften sollte sie nicht zu stark. "Ein Kilo Butter und zwei Stück Seife?" Die Kollegin von Marianne schaute skeptisch, als sie von dem Telephonat hörte.  "Und die Martinistraße ist auch nicht die erste Adresse."  "Aber was soll ich machen? Ich brauche eine Wohnung."  "Andererseits sind Butter und Seife auch nicht zuviel verlangt. Da gibt es ganz andere Forderungen."  "Eben."  "Wann sollst du kommen?"  "Um halb sechs."  "Ich wünsche dir jedenfalls viel Glück."   Mit dem Bus fuhr Marianne bis fast vor die Haustür.  "Nummer 114", hatte der Mann gesagt. "Gleich neben dem Waffengeschäft, falls Sie die Hausnummer nicht erkennen können. Sie ist etwas verwittert."  Aber nicht nur die Hausnummer war verwittert. Von der gesamten Fassade des drei stöckigen Gebäudes war die Farbe abgeblättert und an einigen Stellen bröckelte schon der Putz.   Eine Weile stand Marianne vor der dunkelbraunen Tür und studierte die verblaßten Namen auf den Schildchen, - sofern welche eingetragen waren.  Der Mann hatte seinen Namen nicht erwähnt und sie hatte vergessen danach zu fragen. Überhaupt hatte er kaum etwas über die Wohnung erzählt, nur das es eine Dachwohnung sei.  "Und wenn Sie meinen, Sie müßten die Bude unbedingt anschauen, gut, ich dränge keinen. Nur denken Sie bitte an die Butter und die Seife. Und seien Sie pünktlich! Es kommen ja noch andere Interessenten", hatte er ihr kurz und knapp erklärt.  Mariane drückte gegen die Tür. Sie war nicht verschlossen. Schwer aber fast lautlos ließ sie sich öffnen. Der strenge Geruch eines Treppenhauses, in dem sich die Düfte aus allen Küchen vereinten, empfing sie. Eine Zeitung rutschte aus dem Postkasten und fiel auf die grauen Fliesen.  "Sind Sie Frau Friedrichs?"  Erschrocken schaute Marianne hoch. Auf dem Treppenabsatz stand ein alter zitternder Mann, bekleidet mit einem zerschlissenen Morgenmantel und gestützt auf einem knorrigen Spazierstock.  Marianne nickte.  "Sie kommen wegen der Wohnung. Gut. Ich aber glaube kaum, das sie Ihnen zusagen wird. Das sage ich Ihnen gleich. Aber meinetwegen. Schauen Sie sich die Wohnung an. Es ist eine Dachwohnung über der dritten Etage. Sie haben die Butter mitgebracht, und die Seife?"   Marianne zog eine Tüte aus ihre Tasche.  "Sehr gut. Geben Sie mir."  Sie stieg zum ersten Treppenabsatz und reichte die Tüte dem Mann. Der Alte stank. Nach Schweiß, nach Bier, nach Urin. Marianne wich sofort zurück, als sie ihm die Tüte gereicht hatte. Umständlich legte er sie neben sich auf den Boden. Dann wühlte er in seiner Manteltasche. Der Alte hatte Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten. Seine Hausschuhe waren breitgetreten, so das die nackten grauen Füße halb neben den Schuhen standen."  "Wieviel schulde ich Ihnen?" fragte er.  "Sie wollen bezahlen?"  "Ja selbstverständlich. Oder was dachten Sie?"  "Ich..."  "Das kann ich noch. Keine Sorge. Wenn ich auch sonst nichts mehr kann. Bezahlen aber kann ich noch."  Der Mann reichte ihr einen zehn Mark Schein. Er hatte lange, verknorpelte Finger und dreckige Fingernägel, die gelblich waren, mit schwarzen Flecken. Sie gab ihm schnell das Wechselgeld.  "Gehen Sie nun. Gehen Sie rauf und schauen Sie sich die Wohnung an. Die Tür ist offen."   Der Alte blieb mitten auf dem Absatz stehen. Er rührte sich nicht, keinen Zentimeter. Marianne schob sich schnell mit angehaltenem Atem an ihm vorbei. "Sie leben allein?" rief er, als sie schon ein paar Stufen gestiegen war.  Sie nickte. Der Alte schaute noch immer hinunter zur Tür.  "Ja oder Nein?"  "Ja, ich lebe allein."  "Gut. Ist mir recht. Aber ich glaube kaum, daß Ihnen die Wohnung zusagt."  "Was soll sie kosten?"  "Kosten? Ach was. Gehen Sie erst rauf. Schauen Sie sich die Wohnung an. Alles weitere danach." Der alte Mann drehte ihr seinen Kopf etwas zu und schielte.  "Falls Sie ein danach wünschen. Aber nun gehen Sie schon!"   Das Treppenhaus war dunkel und schmutzig. Aus der rechten Wohnung in der zweiten Etage drang der Geruch verbrannter Milch. Orientalische Musik dudelte hinter der Tür. In der dritten Etage war es totenstill. Das Treppenhaus war hier zu Ende. Nur noch eine schmale Holzstiege führte ein Stück weiter hinauf auf einen dunklen Absatz. Rechts war eine grobe Holztür, die mit einem Vorhängeschloß gesichert war. Links befand sich eine weiß gestrichene Wohnungstür. Sie war nicht verschlossen.    Marianne betrat einen kleinen dunklen Flur. Die Tapeten hingen von den Wänden, von der Decke rieselte Putz und an einigen Stellen war das Stroh sichtbar. Eine Schabe huschte über den zerschlissenen roten Linoleumfußboden und verkroch sich hinter einer abstehenden Fußleiste. Direkt der Wohnungstür gegenüber befand sich die Toilette. Die Tür war geöffnet. In die hinterste Ecke des Raumes, der kaum breiter war als die Tür, stand das Klosettbecken. Nasses Zeitungspapier und Tapentenfetzen quollen aus der Schüssel. Die Klosettbürste lag neben dem Eingang.   Es roch nach Staub und Kalk. Vor Mariannes Füßen lag eine alte Boulevardzeitung. Neben einem am Strand kauernden nackten Mädchen prangte die Schlagzeile "Junge Frau zerstückelt. Eingefroren".   Vorsichtig ging Marianne durch die engen Räume. In fast allen Ecken hingen dicke Spinnweben, in denen sich grauer Staub und Mörtelbrocken verfangen hatten. In jedem Raum waren in der Dachschräge kleine Fenster eingebaut. Mit Mühe konnte sie eines der klemmenden Holzfenster öffnen.   Der Blick ging über graue Hinterhöfe, über kleine, verbaute Balkons, rötlichschwarze Dächer zu einem alten, still gelegten Fabrikgebäude. Überraschend ruhig war es ja hier oben, dachte sie. Vom Straßenlärm war kaum etwas zu hören. Aber bin ich Innenarchitektin?   Sie drückte das Fenster wieder zu. Als sie sich umdrehte, huschte an der gegenüberliegenden Wand ein Schatten vorüber und im gleichen Augenblick knallte eine Tür. Sie riß ihre Hand hoch, legte sie an ihren Mantelkragen. Mit angehaltenem Atem lauschte sie.   "Ist da jemand!" rief sie. Niemand antwortete.   Plötzlich baumelte eine fette Spinne vor ihren Augen. Entsetzt sprang sie zur Seite. Die Spinne hangelte sich an ihrem Faden hoch und verschwand in einem Loch der Dachschräge.  Marianne eilte zum Ausgang. Die Wohnungstür war zu gefallen. Ihr fehlte die Türklinke. "Hallo!" rief sie und klopfte gegen die Tür. Doch im ganzen Haus schien es kein Leben zu geben. Nur aus weiter Ferne erscholl ein Martinshorn. Da entdeckte Marianne auf dem Fußboden die Türklinke. Sie hob die Klinke auf, stopfte sie in das Loch und öffnete die Tür.  In der zweiten Etage war es jetzt auch still und der Geruch von verbrannter Milch hatte sich mit den anderen Gerüchen vermischt.   Der alte Mann war nicht mehr da. Marianne wollte ihn schon rufen, aber sie wußte ja nicht einmal seinen Namen. Und wozu auch? Sie lief die restlichen Stufen hinab, zog die schwere Haustür auf und stand auf dem Bürgersteig.   Der lebhafte Straßenverkehr tat ihr gut. Sie atmete kräftig durch, nahm den Zehner aus ihre Manteltasche, den ihr der Alte für die Butter und die Seife gegeben hatte, und steckte ihn in ihr Portemonnaie. Dann ging sie die Straße hinunter zur Bushaltestelle. Noch immer spürte sie den Geruch des Hausflures und des Alten in ihre Nase.  Als sie an der Haltestelle wartete, kam ein junges Paar vorbei. Er trug einen Waschmittelkarton, sie einen Packen Toilettenpapier.  "Hat er nicht gesagt warum wir das mitbringen sollen?" fragte der Junge.  Das Mädchen schüttelte den Kopf.  Marianne schaute den Beiden nach, wie sie bis zu Nummer 114 gingen, auf die Klingelknöpfe schauten und dann durch die dunkle Haustür verschwanden.     (c) Klaus Dieter Schley
Klaus Dieter Schley, 2015