Vergeblich
In dem für einen erwachsenen Menschen bestimmten Sarg verlor sich der Körper des Gerold F.,
blutverschmiert, die Oberschenkelknochen mit den Rippen in einem tödlichen Gefecht verstrickt,
unabänderlich unter diesem blauen Firmament eines Hochsommertages dessen Klänge wieder
Raum fanden nachdem das Radio endlich, allen technischen Notwendigkeiten trotzend, als letztes
verstummte, später noch als dieses tausendfache Geschepper, der Begleitmusik für einen aus dem
Leben katapultierten Menschen, von der einen auf die andere Sekunde um einen halben Meter
gestaucht, allem nahtlos vorausgehend ein bodentief patschender Knall, zeitsplitterkurz, akustische
Zeichen eines zerfetzenden Wagens an dieser ausgewachsenen und gesunden Eiche, deren
braungrüne Haut bis ins Jenseits reichend überdimensional groß vor der Windschutzscheibe auf
blitzte, viel zu schnell um wirklich noch begriffen zu werden, wenn Gerold F. es auch wusste, ein
Wissen um dieses Ereignis, das alle gedanklichen Sperren sprengte, Wissen wie Schrecken,
Schrecken dem Vorbehalte ignorierende Ahnung voraus jagte in der Sekunde als der Wagen die
Straße verließ, aus der Spur geschossen war - wie ihm gewahr wurde die Kontrolle über den
Wagen verloren zu haben, den Fuß auf die Bremsen gewuchtet, vergeblich das Lenkrad
umkrampft, ein Reflex dem einstürzenden Gedanken die Kurve! folgend, herausgerissen aus dem
Schlummer einer kindlichen Freude über seinen Einfall mit ihr Picknick zu machen, an diesem
schönen, von allen Ausflugszielen abseits gelegenen kleinen Weiher mit der Wiese, die bis zum
Ufer reicht und die so klein ist und verborgen liegt wie eine tief im Wald gelegene Lichtung - oh ja!
dort werden wir hinfahren, mit dem Fahrrad, dachte er, das wäre angemessener und viel besser als
bei Mendrians im Garten zu sitzen und nur des Redens zu liebe reden, eine Stunde, zwei Stunden
würde das schon dauern, zum Großmarkt, zur Drogerie, aber erst zum Wochenmarkt und das Auto
parke ich in der Tiefgarage, entschied er, seinen Wagen beschwingt über die Landstraße lenkend,
nachdem er im Radio endlich einen Sender gefunden hatte der unverbindlich säuselnde Musik
brachte, von Krieg und Katastrophen möchte ich heute nichts wissen! rief er, an dem Knopf
drehend, kaum dass er auf die Landstraße eingebogen war, forsch die Vorortsiedlung hinter sich
lassend, die letzte Inspektion hatte sich gelohnt, bestätigte er sich, indem er mit dem Gaspedal
spielte, und schon der satte Klang gleich nach dem Anlassen, wie neu freute er sich, die Tür des
frisch polierten Wagens aufschließend, nachdem er noch einmal Ines winkte, die im Vorgarten
stand. Ein herrlicher Tag wird das heute - dachte er.
(c) Klaus Dieter Schley